Wird Legumain außerhalb seines angestammten Ortes in der menschlichen Zelle nachgewiesen, leiden die Betroffenen mit hoher Sicherheit an Krebs oder Alzheimer. Vor allem im Hinblick auf eine künftige Wirkstoffentwickelung will Dall nun die zugrundeliegenden Mechanismen im Detail aufklären.
Obwohl das Protein Legumain zu den eifrigen Arbeitstieren in unseren Zellen gehört, ist es noch großteils unerforscht. Bekannt ist, dass es fremde Antigene wie zum Bespiel Krankheitserreger in kleine Stücke zerschneidet, so dass sie vom Immunsystem erkannt und entsorgt werden können. Diese Aufgabe erfüllt das Protein im sogenannten Lysosom, dort ist es quasi „daheim“. Tritt es jedoch an anderen Orten auf, richtet es „wie ein Elefant im Porzellanladen Schäden an, die zu Alzheimer oder verschiedenen Formen von Krebs führen“, erklärt Elfriede Dall.
Warum aber kommt das Protein überhaupt manchmal dort vor, wo es eigentlich nicht hingehört, nämlich außerhalb des Lysosoms? Das ist unklar. „Was wir in Salzburg in der Arbeitsgruppe des Strukturbiologen Hans Brandstetter bisher aber schon entdeckt haben, ist eine zweite Funktion von Legumain: Es kann fremde Antigene nicht nur spalten, sondern sie im Gegenteil auch zusammenkleben, allerdings nur wenn es außerhalb des Lysosoms auftritt. Unsere Hypothese ist, dass die Verklebe-Funktion einer der Schlüsselmechanismen bei der Entstehung der Krankheit ist“, so Dall.
Bisher gab es jedoch keine Möglichkeit, diese Zusammenhänge am Ort des Geschehens in der Zelle zu beobachten, sagt Dall und ergänzt: „Im START-Projekt wollen wir nun die geeigneten Methoden dafür entwickeln. Erst wenn wir die Zusammenhänge vollständig verstehen, können wir gezielt Substanzen entwickeln, die zur Alzheimer- oder Krebstherapie einsetzbar sind. Versuche im Tiermodell belegen, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Es konnte gezeigt werden, dass ein Blockieren von Legumain das Wachstum von Tumoren stoppen und sich positiv auf neurologische Fähigkeiten bei Alzheimer-Erkrankungen auswirken kann.“
Die Preisträgerin
Elfriede Dall schloss 2013 an der Universität Salzburg ihr Doktorat in Molekularbiologie ab. Seit 2014 ist sie Senior Scientist in der Arbeitsgruppe für Strukturbiologie von Hans Brandstetter am Fachbereich Biowissenschaften und Medizinische Biologie der Universität Salzburg. Bereits Dall‘s bisheriges, seit 2018 laufendes FWF-Projekt war der Erforschung von Legumain gewidmet.
Zum Projekt
Das START-Projekt „Functional Studies on Extra-lysosomal Legumain“ untersucht die Funktionen des Proteins Legumain außerhalb des Endolysosoms der menschlichen Zelle. Üblicherweise ist die Wirkung des Enzyms, das körperfremde Antigene aufspaltet, auf dieses Zellorganell beschränkt. Außerhalb werden allerdings andere Mechanismen wirksam, die mit dem Auftreten von Krebs und Alzheimer assoziiert sind. Diese Funktionen sollen eingehend erforscht werden, um die Basis für Wirkstoffe in diesem Bereich zu legen.
Das START-Programm
Der START-Preis stellt den höchstdotierten Wissenschaftspreis Österreichs für Nachwuchsforscher:innen dar. Der einmal jährlich vom Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) ausgeschriebene und durch den Bildungsminister vergebene Preis ist mit bis zu 1.2 Millionen Euro dotiert.
Die Preisträger:innen werden von einer international besetzten Fachjury ausgewählt, deren Mitglieder zum Beispiel von der Harvard Universität stammen.
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