Sabine Seidler
Sabine Seidler ist Rektorin der TU Wien und Präseidentin der uniko. (Foto: Raimund Appel)

14. Juni 2022

Sichtbare Spitzen durch Zusammenarbeit erreichen – Interview mit Sabine Seidler

Am 8.6. begrüßten wir Salzburg hochkarätige Redner:innen zum Universitäts- und Hochschulstandort im 21. Jahrhundert. Eine davon war Sabine Seidler, Rektorin der TU Wien und Präsidentin der Österreichischen Universitätenkonferenz. Wir haben sie gefragt, wie für sie die Universität der Zukunft aussieht und wie ein Standort trotz Kleinteiligkeit und demografischer Veränderung erfolgreich sein kann.

Wie stellen sie sich die Universität des 21. Jahrhunderts vor?

Sie ist jedenfalls eine interdisziplinäre und eine mit digitalen und physischen Komponenten. Sie ist international und vermutlich sehr groß. Groß zum einen, weil sehr viele Studierende sich von überall in der Welt zuschalten können. Groß zum anderen, weil es genauso Raumressourcen vor Ort braucht. Sowohl für die Lehr- als auch die Lerntätigkeiten. Wir werden solche großen Hörsäle wie es sie derzeit an der TUW gibt wohl irgendwann nicht mehr brauchen, weil Massenveranstaltungen gestreamt werden. Dafür benötigen wir andere Räume, anders strukturierte und mehr.

Wir müssen auch ein Stück weit Fächertrennungen überwinden. Es gibt das Stichwort des digitalen Humanismus, bei dem der Mensch im Mittelpunkt von digitalen Lösungen steht. D.h. auch die Geisteswissenschaftler:innen brauchen wir, die gemeinsam mit Techniker:innen an Lösungen arbeiten. Zukünftige Absolvent:innen müssen sicher diese Kompetenzen haben.

Ich bin selbst Technikerin und habe eine Vorstellung davon, was Innovation ist. Wenn wir Ideen mit Künstler:innen diskutieren, kommt sicher etwas anderes heraus, als wenn wir das alleine machen. Aber sicher nichts Schlechteres. Solche Vorgehensweisen wird es vermehrt brauchen.

Wie steht es derzeit um den österreichischen Hochschulstandort?

Diese Frage ist schwer zu beantworten, weil es immer darum geht, was man vergleicht. Es gibt jedenfalls Besonderheiten in Österreich: Es gibt zum Beispiel 73 tertiäre Einrichtungen, die eine sehr große Vielfalt bieten. Diese hat Vor- und Nachteile: Vorteilhaft dabei ist das breite Bildungsangebot für junge Menschen. Von Nachteil ist, dass wir dadurch in vielen Bereichen kleinteilig sind und oftmals vielleicht nicht so sichtbar, wie wir es uns wünschen. Wenn es um die besten Köpfe geht, ist aber internationale Sichtbarkeit unerlässlich.

Es steht also nicht besonders gut um unsere Exzellenz?

So kann man das nicht sagen. Österreich ist in einzelnen Fächern spitze. Das gilt zum Beispiel für Fächer im geisteswissenschaftlichen und sozialwissenschaftlichen Bereich, in der Physik oder im Biotech-Bereich oder in der Kunst. Wir haben als Institutionen aber nicht je 20 Weltspitzengruppen, sondern eine oder zwei.

Österreich ist auch nicht besonders groß…

Das ist die Schweiz auch nicht. Wenn ich als TU-Rektorin in die Schweiz schaue, dann natürlich auf die ETH. Es gibt dort aber auch Universitäten, die nicht so gut finanziell ausgestattet sind.

Inwiefern hängt der Erfolg am Geld?

Am Schluss kommt es immer auf das Geld an. Ich brauche Gebäude und Räume und ich brauche gute Betreuungsverhältnisse, also viele Professor:innen für wenige Studierende. Es kommt natürlich immer darauf an, was man mit dem Geld macht, mehr muss nicht gleich besser sein. Aber ohne Geld geht es nicht.

Was denken Sie, macht einen Hochschul- und Universitätsstandort attraktiv?

Je kleinteiliger dieser ist, desto mehr sollte man danach trachten, wer sich zusammentun kann und wie man durch Kooperation exzellente Spitzen schaffen kann. Salzburg repräsentiert mit seinen sechs Einrichtungen das gesamte tertiäre System an Universitäten, Privatuniversitäten, Fachhochschulen und Hochschulen die gesamte Breite, die es auch bundesweit gibt. Das ist zum einen gut für jene, die hier studieren möchten. Zum anderen braucht es eben sichtbare Spitzen durch Zusammenarbeit.

Was Internationalität angeht, kann man viel von Kunstunis lernen, die schon aufgrund ihrer Aufnahmeverfahren viel internationaler sind als andere.

Als Standort ist Salzburg jedenfalls attraktiv. Nicht zuletzt durch die Schönheit der Stadt und ihr Umfeld.

Sie meinen hier die Sicht von Forscher:innen oder auch Studierenden?

Das ist eher die Sicht von Forscher:innen. Wenn man jene der Studierenden betrachtet, ist das sicher etwas differenzierter. Hier haben wir in Österreich eine Herausforderung hinsichtlich der Verteilung. In Wien haben wir zum Beispiel zu viele Studienwerber:innen für Informatik und in den Bundesländern können nicht alle Plätze besetzt werden. Wir – und hier kann ich nur aus meiner Warte sprechen – empfehlen zwar andere Studieneinrichtungen außerhalb von Wien weiter, das bringt aber nicht viel. Da steht die Lebensentscheidung oft vor der Berufsentscheidung. Junge Leute, vor allem wenn sie am Land aufgewachsen sind, zieht es dabei in die Stadt. Bei Master- und Doktoratsstudien kann sich das mitunter ändern und eine größere Rolle spielen, wo ich das mache und wo ich eventuell auch eine Karriere starten kann.

Inwiefern gehen Bedürfnisse von Wirtschaft und Hochschulen auseinander?

Das Hauptproblem sind glaube ich die Zeitskalen. Wenn wir von Grundlagenforschung ausgehen, haben wir eine extrem lange Zeitspanne und Unternehmen brauchen schnelle Lösungen. Durch Förderprogramme wie der FFG oder auch für Kooperationen über die Christian Doppler Gesellschaft gibt es hier Lösungen, wie Forschung auf diese Unternehmensanforderungen eingehen kann. In Österreich sind wir da sehr gut aufgestellt.

Wir haben jedoch einen Absolvent:innenmangel. Seit 2015-16 beobachten wir das demografische Problem und die Zahlen gehen kontinuierlich zurück. Wir täten gut daran, Talente aus sogenannten „bildungsfernen Schichten“ aufzuspüren und sie zu fördern. Aus meiner Sicht wäre auch eine gezielte Zuwanderung nötig, die allerdings nicht nur aus Europa kommen kann, da wir uns sonst gegenseitig auf die Füße steigen. Doch man müsste an vielen Stellschrauben drehen, damit das Wirkung zeigt.

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