Fachsymposium Alpines Bauen 2023
Stefanie Weidner, Leiterin Nachhaltigkeitsstrategien, Büro Werner Sobek

13. Oktober 2023

Kreislaufwirtschaft:
Bauen mit und im Bestand

„Abbruch. Ausbruch. Aufbruch.“ lautete das Motto des diesjährigen Fachsymposiums Brennpunkt Alpines Bauen an der Fachhochschule Salzburg am 12. Oktober 2023. Im Mittelpunkt standen Themen rund um das Bauen im Bestand und die Wiederverwertung von vorhandenen Materialien aus ausgedienten Gebäuden. Schwierigkeiten gibt es dabei viele, Lösungen aber auch.

Der Konsum der Bauindustrie in Zahlen ist beeindruckend: mehr als 50 Prozent des vorhandenen CO2-Ausstoßes, bis zu 50 Prozent des Energieverbrauchs, Nutzung von bis zu 50 Prozent der vorhandenen Rohstoffe und 50 bis 60 Prozent des Abfalls (deutschlandweit). Das zeigte Stefanie Weidner, Leiterin der Nachhaltigkeitsstrategien im Büro Werner Sobek beim 10. Fachsymposium Brennpunkt Alpines Bauen. Das internationale Büro Werner Sobek ist bekannt für seine Schwerpunkte Entwurf und Planung von Tragwerk, Fassade und technischer Gebäudeausrüstung sowie nachhaltiges Engineering und Design. Ein Umdenken in der Bauwirtschaft ist nötig, denn gesetzlich auf den Weg gebrachte Maßnahmen reichen bei weitem nicht aus, um die für Klimaziele nötigen Emissionseinsparungen zu erreichen (in ihren Beispielen anteilsmäßig für Deutschland heruntergebrochen). Das betrifft die Bauherren, die Planer:innen und die Umsetzer:innen. Es gilt, die im Bestand schlummernden Materialien wiederzuverwenden. In Österreich sind das laut Sonja Zumpfe von BauKarussell 2 Milliarden Tonnen an Wertstoffen. Diese wachsen um etwa 9 Tonnen je Einwohner pro Jahr.

Lösungen gibt es, Gesetzgebung muss nachziehen

Sowohl seitens der Planung als auch seitens der Bauwirtschaft ist man hier jedoch schon weiter als die gesetzlichen Rahmenbedingungen. Eine Vielzahl an Normen schaffen Vorgaben, die die Ressourcenmenge erheblich erhöhen und erschweren eine Wiederverwendung von Materialien im Sinne der Kreislaufwirtschaft. Aus diesem Grund fordert die Bayerische Architektenkammer, beim Symposium vertreten von Architekt und Vorstandsmitglied Rainer Post, einen neuen Gebäudetyp „e“. Das „e“ steht dabei für einfach und experimentell und soll nicht die geltenden Klassen der Bauordnung in Bayern ersetzen, sondern ergänzen. In der Praxis bedeutet das die Reduktion von Bauten auf den Kern der Schutzziele (Standsicherheit, Brandschutz, gesunde Lebensverhältnisse und Umweltschutz) und den Verzicht auf die Einhaltung weitergehender Normen. Es sollte zum Beispiel möglich sein, Steck-, Schraub- oder Klemmverbindungen konstruieren zu können und damit auf das umweltschädlichere und im Recycling kaum brauchbare Kleben zu verzichten – das Normen aber in bestimmten Bereichen (zum Beispiel Abdichtungsnorm) laut Post vorgeben. Auch Haftungsfragen sind nicht irrelevant. So kann man nicht eine Brandschutztür aus einem Gebäude aus- und in einem anderen wieder einbauen. Garantien und Haftungen sind hier noch keinesfalls geklärt.

Das Thema greift auch Christine Itzlinger-Nagl, Abteilungsleiterin für Planen, Bauen, Wohnen beim Land Salzburg auf. Hier wird am neuen Wohnbauförderungsgesetz gearbeitet, das Anfang 2025 in Kraft treten soll. Sie bestätigt ihre Vorredner:innen darin, dass die Bauordnung mehr eine „Neubau“-Ordnung ist und für die wertvolle Verwertung aus dem Bestand zu wenig Möglichkeiten vorsieht. Bauen im Bestand wird noch nicht so gut gefördert wie Bauen auf der grünen Wiese. Das soll sich mit dem neuen Gesetz ändern.

Welches Material steckt in welchem Gebäude?

Weitere Schwierigkeiten bereiten bei Bestandsmaterialien oft die fehlende Dokumentation: Welche Materialien wurden wo und in welchem Ausmaß verbaut und wie ist der Rückbau am besten durchzuführen? Das soll in Zukunft vereinfacht werden, zum Beispiel mit dem Materialpass der Firma Madaster. Auch Building Information Modeling (BIM) erlaubt die Erfassung der Materialien schon ab Bau. Aber auch die Abbildung von komplexen Modellen und Berechnungen sind damit möglich. Anton Rieder, Geschäftsführer von Riederbau, hat in seinem Unternehmen eine passgenaue Software für diese Zwecke im Einsatz. Auch er stolperte über Normen: „Die Normen zur Berechnung von Heiz- und Kühllasten sind sehr statisch. Dabei ist es möglich, diese über das ganze Jahr zu berechnen, und zwar auch unter Berücksichtigung der Speichermassen.“  Auf diese Art kann viel weniger Material benötigt werden als mit der statischen Methode angenommen. Durch simulative Berechnungsmethoden ortet Rieder ein Einsparungspotenzial von 25 bis 30 Prozent von Ressourcen und Kosten bei Gebäudtechnik und 10 bis 15 Prozent bei Tragwerken – wenn auch Tragwerksplaner:innen früher ins Boot geholt werden, als dies bei vielen Projekten der Fall ist.

Dass aber auch heute schon Vieles an Wiederverwendung möglich ist, zeigen Unternehmen wie revitalyze oder BauKarussell. Erstes bietet eine Digitalplattform an, die Angebot von Bestandsmaterial und Nachfrage zusammenbringt. BauKarusell plant und realisiert Rückbauten durch Social Urban Mining, das heißt, der Rückbau ist mit einem sozialen Mehrwert verbunden in dem beispielsweise auch Menschen mit Schwierigkeiten beim Zugang zum normalen Arbeitsmarkt eine Aufgabe finden.

Mut zur Utopie

Eingangsrednerin Stefanie Weidner forderte den „Mut zur Utopie“: Jetzt den Bestand nutzen und vorhandene Schwierigkeiten angehen. Mit dem Fachsymposium Brennpunkt Alpines Bauen tragen die Veranstalter Innovation Salzburg, die Initiative Digital findet Stadt und viele weitere Partner zum Bewusstsein und mögliche Lösungsansätze zu diesem Thema bei. Das Symposium findet jedes Jahr zwischen September und Oktober statt.

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